Jasmin Schaschl

Riley’sches Flimmern
oder Von Schmuck und Stoff zu Linie, Maschine, Papier, Objekt und wieder zurück Über die monos von Jasmin Schaschl
von Synne Genzmer

Optische Schimmereffekte und feines, buntes Lineament bleiben als erster Eindruck der gezeigten Arbeiten von Jasmin Schaschl. Vielleicht die Impression von Stoff, oder eines Kleidungsstücks. Auch eine spezifische visuelle Attraktivität und eine Ästhetik der Leichtigkeit, die neugierig auf das Bildgebungsverfahren macht, das die Künstlerin verwendet: die Technik des Siebdrucks. Schon die zarten Linien, die Muster in allen denkbaren Farben bilden, die abwechselnd glänzenden und matten Flächen in einem Bild, lassen auf einen sensiblen und ungewöhnlichen Umgang mit den vergleichsweise groben Druckmaschinen schließen. Der Illusionismus des Materials löst sich beim Betrachten aus unmittelbarer Nähe auf in mehr oder weniger erkennbare Farbschichten, die übereinander gedruckt wurden. Und diese Effekte eines Spiels von Nähe und Distanz sind es auch, von denen sich die Künstlerin selbst faszinieren lässt.

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Für sie als Produzentin beinhaltet dies allerdings viel mehr Schichten, als es ein kurzer Blick erschließen kann. Der Druck in Schichten ist für die Serie der monos ausschlaggebend. Aber auch in der Werkstatt und im Studio von Jasmin Schaschl türmen sich Schichten aus bedrucktem Papier, die sie schnell durchblättert, um Drucke herauszufiltern, mit denen sie schließlich weiterarbeitet. Aus der Siebrucktechnik hat sie eine künstlerische Praxis entwickelt, die das Prozessuale zum Konzept macht: Wenn sich Jasmin Schaschl in den künstlerischen Prozess hineinbegibt, zählen fertige Konzepte und detaillierte Planungen zunächst einmal nicht viel: aus einem Blatt werden Berge von Drucken, aus einer Vorlage zahlreiche Varianten an Mustern, Motiven und zufällig entstandenen Formen, wie sie im Siebdruck nicht unbedingt zu erwarten wären. Nicht umsonst wurde der Siebdruck zuerst zum bevorzugten Medium der Werbegrafik und boomte mit der Pop-Art und Warhols Marilyn Monroe: Die Möglichkeit die Tradition auszuhebeln und die Vorzüge der Zugänglichkeit waren gegeben – durch Reproduzierbarkeit eines Bildes in hohen Auflagen, die starken, leuchtenden Farben, die formale Vereinfachung, die leichte Übertragbarkeit von Motiven auf Papier, eben künstlerische Plakativität. Dagegen macht sich Jasmin Schaschl den Druckprozess zu eigen, um aus dem Verfahren und der Materialität selbst die Formen für ihre Bildobjekte abzuleiten: statt die strenge Schablone einer Darstellung präzise in bestimmte Farben umzusetzen, arbeitet sie prozessual und stellt  am Drucktisch zunächst unzählige Varianten aus gezeichneten Vorlagen her, von deren Endprodukt sie selbst überrascht sein kann. Keine figurativen oder abstrakten Kompositionen, keine angedeutete Gegenständlichkeit, kein vorkonzipiertes Ergebnis, denn es geht mehr um die Visualität von Strukturen, Verhältnissen, Kombinationen, die sich aus fließenden Vorgängen hervorheben. Die Technik des Siebdrucks ermöglicht es der Künstlerin, „einzelne, schon verwendete Elemente immer wieder zueinander in Beziehung bringen und neue, visuelle Ergebnisse zu bekommen, je nachdem in welcher Reihenfolge die Vorlagen übereinander gedruckt werden und in welcher Farbe: Das ist ein endloses Spiel.“ Zwar sind die Arbeitsschritte selbst repetitiv und von unzähligen Wiederholungen von Farben und Formen geprägt, das endgültige Muster ist jedoch einmalig, singulär, eine spezifische, eben nicht wiederholbare Abfolge von Schichten – quasi ein Widerspruch zu seiner eigenen Form und Medialität. Gleichzeitig lässt sich eine handgezeichnete Linie mit Pinsel oder Stift unendliche Male übertragen und variieren, wobei die ursprüngliche Geste erhalten bleibt, erläutert Jasmin Schaschl: „Die analog hergestellten Vorlagen kann ich immer wieder verwenden, ohne dass die eigene Handschrift verloren geht: Ich kann sehen wie das, was ich in Schwarz mit Tusche gemalt habe oder aus einem Papier gerissen habe immer noch meine Handschrift trägt aber in Rot, Blau, Grün und übereinander und nebeneinander.“

Neben der physischen Anstrengung des Produktionsprozesses, der den ganzen Körper beansprucht, schreibt sich insbesondere der Faktor Zeit in die Arbeit ein: „Siebdruck, so wie ich es mache, ist ein zeitintensiver Prozess, der alle möglichen Geschwindigkeiten und Sinnlichkeiten durchläuft. Ich verbringe gerne Zeit mit den Arbeiten“, so die Künstlerin. Vor allem aber bildet sich Zeitlichkeit, Dauer ebenso wie unzählige Momente in jeder Druckschicht ab. Die „Geschwindigkeiten“ und „Sinnlichkeiten“ konzentrieren sich schließlich im stillgestellten Bildobjekt, dem mono, „abgeleitet von Monolith, einer geschlossenen, kompakten Form“, die zwar in diesem Fall zweiteilig ist, jedoch visuell einen ruhenden Körper bildet und die Assoziation zu einem Torso oder Resonanzkörper hervorruft. Objekthafte Wirkung erzeugt einerseits die Abkehr von der klassischen, rechteckigen Fläche durch den Zuschnitt des Passe-Partouts: Geschwungene sich nach innen oder außen wölbende Formen entlang der Kante, verdecken gleichzeitig den geraden Rand des Papiers. Eine Geige. Eine Gitarre. Oder doch eine Bluse? Ein besonderer Aspekt dabei steht im Vordergrund des Interesses der Künstlerin am Körper als solchem, der sich im Bereich des Brustkorbs abspielt: Hier schmückt sich der Mensch, hier erhalten Kleidungsstücke besondere Verzierungen, hier wird vor allem der weibliche Körper kultureller und gesellschaftlicher Prägungen entsprechend bedeckt oder entblößt. Die starke Affinität der Künstlerin zu Textilem übersetzt sie grafisch und medial, gleichzeitig körper- und flächenhaft, in ein Muster als Bild und Objekt. Auch die Ähnlichkeit zu anderen weiblich konnotierten Kulturtechniken wie Weben oder Stricken sieht Jasmin Schaschl, wo Fäden über- und untereinander gelagert werden, um ein festes Gefüge zu bilden. Ebenso geschichtet und verstrickt sind ihre Inspirationen – von der Malerei der Moderne, der Geschichte des Scherenschnitts, der Mode, der Tapisserie, bäuerlichem Schmuck, antiker Vasenmalerei über Frida Kahlo, Helene Frankenthaler, außereuropäischen Kulturen bis zu Comics, Kinderbüchern oder mittelalterlichen Andachtsbildern. Ein Übertrag scheint hier stattzufinden, der sich in der Serie der monos als feine Struktur abbildet. Per Druckverfahren übersetzt die Künstlerin eine spezifische Visualität von Stofflichkeiten auf Papier, dessen Leichtigkeit die Dimensionen des Zeichnerischen ebenso berührt wie die jener kulturellen Techniken, die sie in grafische Zeichen aufgelöst und wieder miteinander verwoben hat.

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