Blue Print – Möglichkeitsraum zwischen Manipulation, Abstraktion und Zufall
von Frederike Sperling
Magdalena Kreineckers künstlerische Praxis entfaltet sich als eine sinnliche Choreografie aus Manipulationen und Brüchen, Abstraktionen und Zufälligkeiten. Verschiedene Techniken der Druckgrafik vereinend und dabei zwischen analogen und digitalen Methoden changierend, transportiert Kreinecker eine Jahrhunderte alte Kunstform in die post-digitale Gegenwart und erschafft mit ihr urgente, poetische Möglichkeitsräume, die sich gegenüber der algorithmischen Homogenisierung unserer physischen Realitäten behaupten.
In einer zunehmend von binären Codes verwalteten Welt ist Kreinecker mit ihren Arbeiten auf der Suche nach, wie sie selbst erklärt, „emotionalen Zwischenräumen“. Diese gestalten sich als ein metonymisches Rauschen, ein referenzielles Schimmern, das sich endgültigen Zuweisungen – und damit der digitalen Kodifizierbarkeit – kontinuierlich entzieht.
Zum einen ergründet sie dazu Techniken wie beispielsweise die Radierung, den Siebdruck und den Linolschnitt auf ihre besonderen Eigenschaften und transformiert sie sodann in abstrakte Mischformen. Bei jedem Prozess des Übersetzens von einem Medium in das andere gehen Informationen des ursprünglichen Bildmotivs verloren und öffnen sich infolgedessen neue, spekulative Dimensionen der Mehrdeutigkeit.
Diese poetische Annäherung an Materialität und Aneignung von Zufälligkeit als Politikum manifestiert sich zum anderen auch in den Moirée-Effekten, die vor allem in ihrer neuen Bildserie I Have Learned The Answer Several Times (2021) im Viadukt erkennbar werden. Die diffusen weißen Punkte und Flächen, die durch die wiederholten Überlagerungen von Bildinhalten und verschiedenen Farbschichten entstehen, implizieren Beweglichkeit, erinnern an Bildrauschen oder gar an digitale Glitches – mit anderen Worten, an technologisches Scheitern.
Derartige Effekte, die sich in anderen Arbeiten wie z.B. Print 018 (Parrot Picture) (2019) mitunter wie digitale Collagen manifestieren, verkörpern einen wesentlichen weiteren Aspekt in Kreineckers Beschäftigung mit Zwischenräumlichkeit. Wie jedes ihrer Medien, manipuliert und entfremdet Kreinecker auch das Digitale und verunmöglicht damit seine immanenten polarisierenden Logiken. So dienen ihr oftmals im Internet gefundene, d.h. durch Algorithmen ihr zugespielten Bilder als Ursprungsmotive, die sie sowohl digital bearbeitet als auch mittels manueller Techniken wie dem Siebdruck. Diese Verwebung von digitalen und analogen Methoden hat schon Rosemarie Trockel, eine wichtige Referenz in Kreineckers Arbeit in den 80er Jahren und damit vor der kommerziellen Nutzung des Internets, für ihre gestrickten „Wollbilder“ genutzt. Mit der minutiösen Planung des Bildes am Computer und der maschinellen Webung ihrer Arbeiten hat Trockel bewusst die Feminisierung der häuslichen Textilarbeit kritisiert und der Technologie emanzipatorisches Potenzial zugeschrieben. Im Kontext des Überwachungskapitalismus jedoch, dessen Hauptinstrument die digitale Technologie ist, hinterfragt Kreinecker dieses Potenzial und spielt vielmehr mit den Limitationen des Digitalen: das bearbeitete Motiv auf dem Bildschirm wird als Druck immer anders aussehen, entstehen doch durch jegliche manuelle Druckverfahren stets unvorhergesehene, unkontrollierbare Abweichungen und Verzerrungen. Als solches unterwandert Kreinecker die Hegemonie des Digitalen und arbeitet viel mehr seine unweigerlichen Kontingenzen zum Analogen in Bezug auf die Druckgrafik heraus.
Mit ihrer bewussten Überschreitung medialer Grenzen und ihrer Neugier für generative Neuzusammensetzungen reklamiert Kreinecker das Erproben, das Manipulieren und vielleicht sogar auch das Scheitern als performativen Akt der Selbstbehauptung in einer Zeit, da Technologiekonzerne Zufälligkeiten und Überraschungen und die daraus resultierenden poetischen Zwischenräume durch die gezielte Lenkung unserer Aktivitäten zu verunmöglichen versuchen. Damit positioniert sich Kreinecker nicht nur als wichtige Druckgrafikerin und Künstlerin, sondern vor allem auch als Verfechterin einer selbstbestimmten Zukunft.